Als ich das erste Mal The Wandering Village gestartet habe, wusste ich nicht, was mich erwartet. Klar, ich hatte die Bilder gesehen – Siedlungen auf einem riesigen, wandernden Wesen, eine bunte Welt, die irgendwie ein bisschen Chihiros Reise ins Zauberland und ein bisschen postapokalyptische Tristesse zugleich ausstrahlte. Aber was ich nicht wusste: Dieses Spiel würde mich auf eine Weise berühren, wie es nur ganz wenige City-Builder geschafft haben. Ich habe gebaut, geplant, Ressourcen getauscht – und dabei stets auf den langsamen Atem dieses sanften Riesen gehört, auf dem meine kleine Welt ruhte. Eine Stadt auf einem Lebewesen. Eine Symbiose, die nicht nur mechanisch gedacht ist, sondern emotional funktioniert.
Schon die Grundidee ist stark genug, um neugierig zu machen: In einer vergifteten Welt, in der mysteriöse Pflanzen toxische Sporen verbreiten, flieht eine Gruppe Überlebender auf den Rücken von Onbu, einer gigantischen Kreatur, die wie eine Mischung aus Drachen und Dinosaurier wirkt. Während sie mit ihm durch verschiedene Biome reist, errichten sie eine funktionierende Siedlung, passen sich neuen Gefahren an und entscheiden irgendwann: Leben wir mit ihm oder nur auf ihm?

The Wandering Village ist ein Spagat zwischen „wenig Platz“ und „großer Verantwortung“
Das Bauen auf Onbus Rücken ist ein stetiger Kompromiss. Die Fläche ist begrenzt, die Ressourcen knapp. Ich habe früh gemerkt, dass man hier nicht einfach planlos drauflosbauen kann. Stattdessen geht es darum, sinnvolle Produktionsketten zu errichten und Wege kurz zu halten. Wer ineffizient baut, wird schnell von Hunger, Durst oder Krankheiten eingeholt. Und dabei ist Onbu keine neutrale Fläche – er ist ein Lebewesen mit Bedürfnissen. Wenn ich ihn nicht pflege, leidet meine Siedlung. Wenn ich ihn schlecht behandle, kann er sich gegen mich wenden. Und genau das macht den Reiz aus: Ich baue keine Stadt. Ich baue eine Beziehung.
Besonders in späteren Spielphasen wird das deutlich. Wenn ich durch Wüsten ziehe, meine Wasservorräte zur Neige gehen und ich mir überlegen muss, ob ich Onbu durch eine giftige Zone führe oder lieber einen Umweg in Kauf nehme – dann wird klar: Nicht nur Onbu hat ordentlich Gewicht, sondern jede Entscheidung, die ich treffe. Und ja, man kann sich auch bewusst gegen das Wohl des Tiers entscheiden. Wer das tut, bekommt aber nicht nur technische Konsequenzen zu spüren, sondern auch moralische Bauchschmerzen. Ich habe es ausprobiert. Und dann schnell neu gestartet. Übrigens sehr oft… es ist schwerer als es scheint.
Grafik, Musik und ein ganz eigenes Gefühl
The Wandering Village lebt nicht nur von seinem Gameplay, sondern auch von seiner Atmosphäre. Der Stil ist eine gelungene Mischung aus handgezeichneten 2D-Elementen und klaren 3D-Modellen. Alles wirkt stimmig, nie überladen, aber auch nie zu schlicht. Die Farben wechseln passend zu den Biomen, mal warm und einladend, mal kalt und bedrohlich. Auch Onbu verändert sich, wirkt manchmal kraftvoll, manchmal erschöpft. Ich habe oft einfach nur zugesehen, wie er atmet, sich bewegt oder ruht.

Der Soundtrack ist ruhig, treibend, melancholisch – er passt sich an meine Spielweise an, ohne je aufdringlich zu sein. Es gab Momente, in denen ich einfach nur den Musikfluss genossen habe, während meine Siedlung lief. Musik, die nicht nur begleitet, sondern – Achtung Linguisten-Witz – trägt.
The Wandering Village ist ein City-Builder, der seinesgleichen sucht
Das Spiel bietet nicht nur Aufbau und Verwaltung. Es lässt mich erkunden, forschen und taktieren. Ich schicke Kundschafter aus, finde alte Technologien, die mir neue Möglichkeiten eröffnen. Dabei ist Fortschritt kein Selbstzweck – manche Tools erleichtern das Leben, andere bringen Risiken mit sich. Wer beispielsweise seine Produktion automatisiert, muss mehr Energie aufbringen, was wiederum Onbus Erschöpfung beeinflussen kann. Alles greift ineinander. Und genau das hält mich bei der Stange.
Wer die Schaffenden hinter Stray Fawn Studio einmal kennengelernt hat, weiß, dass die Ideen hinter den Spielemechaniken stecken sehr tiefgründig und auch wissenschaftlich sein können.
Außerdem gibt es unterschiedliche Spielmodi – vom klassischen Aufbau-Szenario bis hin zu einem Story-Modus, der die Reise emotional auflädt. Hinzu kommen regelmäßige Herausforderungen, zufällige Ereignisse, neue Biome, fliegende Händler und sogar wechselbare Skins für Onbu. Langweilig wird es also nie.

Technisch sauber und liebevoll betreut
Was mir ebenfalls positiv aufgefallen ist: The Wandering Village läuft stabil, selbst auf längeren Sessions – selbst von Beginn der Early-Access-Version an. Ich selbst habe im Verlauf der letzten Monate keine tiefgreifenden Bugs entdecken können. Das Entwicklerteam von Stray Fawn Studio reagierte aber schnell auf Feedback der Community und hat über die Zeit hinweg viele Verbesserungen eingebaut und Bugs beseitigt. Die Community wurde aktiv einbezogen, viele Vorschläge fanden ihren Weg ins Spiel.
Mir fallen hier auf Anhieb nur wenige Spiele ein, die als Beispiel für einen sehr guten Early Access, in Frage kommen… da wären einmal Grounded und eben The Wandering Village. Das Spiel ist damit nicht nur ein Showcase für kreative Game-Designs, sondern auch für gutes Community-Management. Und das merkt man an jedem Detail.
The Wandering Village – Eine Indie-Perle für die nächsten Jahre
Für mich ist The Wandering Village eines der besten Spiele der letzten Jahre. Es ist eine kleine, wandernde Welt, in der ich mich jedes Mal aufs Neue verliere. Es ist Aufbau und Überleben, Beziehung und Moral, Musik und Atmosphäre. Wer City-Builder mag, wird sich hier heimisch fühlen – aber auch alle anderen, die einfach mal etwas Neues erleben wollen, sollten Onbu einen Besuch abstatten. Ich tue es immer wieder. Und werde es weiterhin tun – jetzt erst recht zum Full Release am 17.07.2025.